Wissenschaftliches Arbeiten setzt genaues, faires Zitieren voraus. Debora Weber-Wulff – Professorin für Informatik an der HTW Berlin – erklärt, wie das geht und berichtet über aktuelle Projekte gegen das Plagiieren.
Für alle, die keine Zeit zum Zuhören haben oder sich einfach einen Überblick über das Gespräch wünschen, haben wir hier die wichtigsten Thesen und Hintergrundinfos zusammengetragen.
Thesen | Hintergrundinfos | Tipps für Studierende
Thesen
- Die Wikipedia ist keine wissenschaftliche Quelle. Aber sie aber bietet eine Bibliografie! Im unteren Abschnitt befinden sich meist zahlreiche Quellen, die bei der weiteren Recherche helfen.
- Wissenschaftler müssen verifizieren können, ob etwas tatsächlich stimmt. Stell dir folgende Fragen: Hat man bisher ggf. nur voneinander abgeschrieben? Wo genau kommt eine bestimmte Studie oder Meinung her?
- Nicht alles Wissen ist online verfügbar. Du musst schon in eine Bibliothek gehen und Datenbanken durchsuchen. Google weiß nicht alles.
- „Wissenschaft lebt davon, dass wir sagen, wer was gemacht hat.“ Wissenschaftler stehen mit ihrem Namen hinter ihren Forschungsergebnissen – ihr geistiges Eigentum ist gewissermaßen auch ihr Kapital.
- Ein Plagiat ist ein Indiz dafür, dass wissenschaftlich unsauber gearbeitet wurde. Hierdurch wird die gesamte wissenschaftliche Studie als vertrtauenswürdige Quelle disqualifiziert.
- Ein Plagiat sollte von Bibliotheken als solches gekennzeichnet werden (sowohl im Buch als auch in den Bibliothekskatalogen), um eine weitere Verwendung in darauf aufbauenden Studien zu vermeiden.
- Bibliotheken sollten Buchinformationen updaten! Ein Buch ist zwar statisch, dennoch müssen Bibliothekskataloge regelmäßig aktualisiert werden. Die Information, dass ein Buch ein Plagiat ist, muss in allen Verzeichnissen auftauchen, um die Information organisationsübergreifend zu verbreiten.
- Plagiate werden von einigen Universitäten nicht weiterverfolgt. Einerseits, um den eigenen Ruf nicht zu gefährden. Andererseits gibt es häufig gar kein festes administratives Verfahren für einen solchen Fall. Nichtbeachtung ist jedoch der falsche Weg – und gefährdet zudem den Ruf der gesamten Universität und der dort angestellten Forschenden. Der offene Umgang mit unsauberen wissenschaftlichen Studien sowie der aktive Einsatz gegen Plagiarismus bilden die Grundlage für eine gute wissenschaftliche Praxis.
- An den Hochschulen muss eine Revolution stattfinden. Ein gutes Beispiel ist die TU München, die ihren Mitarbeitenden Seminare zur Plagiatserkennung und -vermeidung anbietet und damit aktiv gegen Plagiarismus vorgeht. Die Etablierung eines solchen Prozesses könnte – ähnlich wie die Gender-Frage – auch Teil der Akrreditierung sein, um die Entwicklung zu forcieren.
- Die Kultur gegen Plagiate muss von „oben“ nach „unten“ vermittelt werden. Das Feedback von Dozierenden an Studierende ist wichtig!
- Eine Art forcierte Wissenschaftsethik oder Wissenschaftscodex ist schwer umsetzbar, da Forschenden eine solche Norm nicht aufgezwungen werden kann. Vielmehr sollte es einen offenen Aushandlungsprozess geben – eine Diskussion darüber, wie man selbst in einer bestimmten Situation handeln würde. Gedankenexperimente anhand des Einzelfalls. Das Ziel: miteinander über gute wissenschaftliche Praxis reden.
Hintergrundinfos
Prof. Dr. Debora Weber-Wulff
… ist Physikerin und Informatikerin. Sie lehrt seit 2001 als Professorin für internationale Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Debora Weber-Wulff entwickelte das E-Learning-Tool „Fremde Federn Finden“ zum Aufspüren von Plagiaten. Sie schreibt als „Wise Woman“ an der Wikipedia mit und deckt im VroniPlag Wiki wissenschaftliche Plagiate auf. In ihrem Blog „Copy, Shake, and Paste“ informiert sie seit 2006 über aktuelle Entwicklungen und eigene Projekte.
Infos zum Blog „Copy, Shake, and Paste“
Infos zur E-Learning-Einheit von Debora Weber-Wulff: „Fremde Federn Finden“
Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) wurde 1994 gegründet und zählt heute fast 14.000 Studierende in 70 Studiengängen. Die anwendungsbezogene Hochschule fokussiert die Bereiche Gestaltung, Informatik, Kultur, Technik und Wirtschaft.
Virtuelle Fachhochschule (Beuth-Hochschule Berlin)
Debora Weber-Wulf hat gemeinsam mit einer Forschungsgruppe die „Virtuelle Fachhochschule“ an der Beuth-Hochschule aufgebaut. Hier kann man Medieninformatik und Wirtschaftsingenieurwesen im Bachelor und Master online studieren. Das Angebot ist heute ein Projekt des Hochschulverbunds Virtuelle Fachhochschule (VFH) und voll akkreditiert.
Infos zur Virtuellen Fachhochschule
Wikipedia
Die Wikipedia ist ein kollaboratives Projekt der Wikimedia Foundation. Sie wurde im Jahr 2001 gegründet. Die Finanzierung erfolgt durch Spenden; die Online-Enzyklopädie wird durch das große Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Redakteure diskutiert, überarbeitet und vor allem stetig erweitert. Aufgrund dieses kollaborativen Ansatzes zählt die Wikipedia zu den Social Media. Die deutschsprachige Wikipedia ist übrigens eine der umfangreichsten weltweit.
Wikimedia Commons
Die Wikimedia Commons ist eine Datenbank, die Medien (Bilder, Tonspuren etc.) frei zur Verfügung stellt. All jene Bilder, die du in der Wikipedia findest, stammen ursprünglich aus der Wikimedia Commons und sind mit der Enzyklopädie verknüpft. Auch hier übernimmt die Wikimedia Foundation die Schirmherrschaft. Doch Achtung: Nur, weil du eine Datei so schön einfach in der Wikipedia findest, heiß es nicht, dass du nicht auch die Quelle angeben musst. Denn auch hier gelten Lizenzbedingungen.
Es gibt bei Wikimedia Commons zwei unterschiedliche Lizenztypen: die Public Domain sowie die CC-Lizenz. Wenn ein Medium unter ersterer Lizenz steht, ist es nicht mehr urheberrechtlich geschützt, beispielsweise wenn der Autor, Fotograf etc. seit mehr als 70 Jahren verstorben sind. Die CC-BY-Lizenz hingegen regelt die Weiterverwendung von Medien, die noch immer urheberrechtlich geschützt sind. Hier musst du Urheber und Lizenzname nennen.
Übrigens: Den direkten Zitierlink einer Wikipedia-Seite findest du stets rechts am Rand unter dem Punkt „Werkzeuge“. Hier einfach auf „Artikel zitieren“ klicken.
BibTeX
BibTex ist vor allem bei Informatiker/innen und Ingenieur/innen sehr beliebt. Das Programm zieht die in LaTeX aufgeführten Literaturverweise heraus und bildet daraus ein umfangreiches Verzeichnis. Zahlreiche Institutionen bieten an, Literaturverweise im BibTeX-Format zu exportieren, um sie für die Bibliografie der eigenen Arbeit übernehmen zu können.
Georg Pólyas
… ist ein ungarischer Mathematiker, dessen Theorie nach Probleme in vier Schritten gelöst werden:
- Verstehe, was genau das ist, was du suchst.
- Definiere, wie du damit umgehen willst.
- Setze den Plan um.
- Verifiziere, ob dein Ergebnis richtig ist und du auch das Problem gelöst hast, das du ursprünglich lösen wolltest.
Infos zum Buch „How to solve it“
Stack Overflow
… ist eine Plattform, auf der sich Entwickler austauschen und offene Fragen stellen können. Die Antworten stehen unter Creative-Commons-Lizenz; der jeweilige Autor muss also immer auch mit genannt werden, wenn du das Material verwendest.
Referenz
Es gibt ganz verschiedene Arten von Referenzen: Innertext-Referenz (in Klammern am Satzende) und Fuß- bzw. Endnote (am Seitenende). Auch durch Einrückungen kannst du ein Zitat auf den ersten Blick kenntlich machen. Eine Paraphrase, also die Wiedergabe in eigenen Worten, muss ebenso gekennzeichnet werden. Wichtig: Markiere hier genau, wo sie beginnt und wo sie aufhört. Wie? Als Zusammenfassung: „Ich fasse Kapitel wie folgt zusammen: […]“ oder beispielsweise auch als wertschätzende Nennung des Autors: „[Person X] hat gezeigt, dass […]“. Literaturverwaltungsprogramme wie Mendeley, Citavi oder Zotero helfen dir dabei, den Überblick zu behalten!
Überblick über Literaturverwaltungsprogramme (Stand 2013)
Plagiatserkennungssoftware
Es gibt zahlreiche Programme, um Plagiate zu erkennen. Keine einzige ist jedoch so gut, dass sie Plagiate 100 %ig sicher identifizieren kann. Der Mensch ist hier einfach noch besser: Selbst einmal googlen, selbst in die Bibliothek gehen und recherchieren, Experten auf den Text schauen lassen, die sich im Thema und der zugehörigen Fachliteratur auskennen. Auch Stilbrüche im Fließtext sprechen fürs Abschreiben. Der beste Weg zum sauberen Text führt jedoch noch immer über eine saubere wissenschaftliche Arbeitsweise!
Infos zum Software-Test von Debora Weber-Wulff (Pressemitteilung von 2012)
Infos zur E-Learning-Einheit von Debora Weber-Wulff: „Fremde Federn Finden“
Plagiat
Ein Plagiat ist die unerlaubte Verwendung fremden geistigen Eigentums, ohne eine solche Nachnutzung entsprechend zu kennzeichnen. Auch die mangelnde Kenntlichmachung von Texten aus der frei zugänglichen Wikipedia ist beispielsweise ein Rechtsverstoß. Ebenso wenig dürfen urheberrechtlich geschützte Materialien gepostet werden. So plant die EU entsprechende automatisierte Filter, um den Upload urheberrechtlich geschützter Materialien zu verhindern. Die Creative-Commons-Lizenzen begegnen diesem Urheberrechtsproblem. Damit können Forscher selbst entscheiden, inwiefern ihre Forschungsdaten und -ergebnisse weiterverwendet und kenntlich gemacht werden sollen.
Arten von Plagiaten:
- Die nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahme fremder Inhalte.
- Die nicht gekennzeichnete Paraphrasierung fremder Inhalte.
- Die nicht gekennzeichnete Übersetzung in eine andere Sprache.
- Die Ausgabe fremder Ideen als eigene Ideen.
- Die unvollständig gekennzeichnete Übernahme fremder Inhalte, beispielsweise wenn die Zitierung nur das halbe Zitat kennzeichnet (das sogenannte „Bauernopfer“).
- Die nicht gekennzeichnete Zitierung aus eigenen bereits veröffentlichten Texten (die „Duplicate Publication“).
Beim Arbeiten mit und Zitieren von Sekundärliteratur sollten beispielsweise auch aufgeführte Zitate auf Ihre Korrektheit hin überprüft werden. Menschen und damit auch Forschende machen Fehler – sei es die Angabe falscher bibliografischer Informationen, seien es inhaltliche Fehlschlüsse. Sobald ein darauf aufbauendes Projekt damit arbeitet, sollte die jeweilige Studie zumindest so weit wie möglich auf ihre „Verlässlichkeit“ hin überprüft werden. Denn auch die leichtfertige, nicht gekennzeichnete Übernahme von „Zitaten in Zitaten“ ist – streng genommen – ein Plagiat.
Infos zu den Creative-Commons-Lizenzen
Mehr Infos zum historischen Plagiatsfall „Goethes Zahnleiden und Zahnärzte (1931)“
GuttenPlag Wiki
… ist ein kollaborativ angelegtes Projekt, das die Dissertation des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg kritisch analysiert. Es dokumentiert die Plagiat-Fundstellen seiner Dissertation und sammelt Informationen zur Affäre (2011). Das Projekt ist Preisträger des Grimme Online Awards 2011 in der Kategorie „Spezial“.
VroniPlag Wiki
… ist ein kollaborativ angelegtes, fachübergreifendes Projekt, das sich der Dokumentation potenzieller Plagiate widmet bzw. sich mit Ungereimtheiten in Dissertationen kritisch auseinandersetzt. Dabei werden Überschneidungen zwischen Texten dargelegt; die Prozentzahl der dokumentierten Plagiate wird veröffentlicht. Bei einer kritischen Menge an Hinweisen wird die jeweilige Hochschule des Forschenden informiert. Diese muss entscheiden, wie sie mit der Faktenlage umgeht.
Jeder, der Lust hat, VroniPlag Wiki zu unterstützen – und die Muße aufbringt, eine genaue wissenschaftliche Dokumentation der sich überschneidenden Textstellen anzufertigen –, kann gern mitmachen! Das Projekt lebt von der Arbeit Freiwilliger.
Gute wissenschaftliche Praxis
Wissenschaft lebt davon, dass Forschende redlich und ehrlich arbeiten. Dazu gehört vor allem auch, die eigene Forschungsarbeit genau zu dokumentieren und fremde Ideen als solche zu kennzeichnen.
Plagiate sind nicht nur ein Verstoß gegen das Urheberrecht, sondern sie erschüttern die wissenschaftliche Praxis: Falschaussagen werden generiert, die mitunter später weiterverbreitet bzw. zitiert werden könnten. Wissenschaftliche Forschung ist ein Prozess, denn Forschungsergebnisse bauen aufeinander auf. Daher muss auch die Provenienz dieser Ergebnisse stets klar sein und eindeutig zugeordnet (und nachvollzogen) werden können.
Infos zum Grundsatzpapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Blockchain
Die Blockchain ist eine neue Art, beispielsweise Zahlungsverkehr genau verfolgen zu können. Es handelt sich hierbei um einen unendlich zu verlängernden Datensatz, der genau angibt, wann ein „Block“ (eine Datensatz-Liste) geändert oder transferiert wurde. Dies geschieht mittels einer digitalen Signatur, die von mehreren Stellen „beglaubigt“ wird. Nicht nur Geld-Zahlungen sind hierdurch genau rückverfolgbar, sondern theoretisch auch Artefakte wie Texte oder Bilder.
So könnten beispielsweise wissenschaftliche Veröffentlichungen mit einem Hash-Wert versehen werden. Wenn Plagiierende den Text dann weiterverwenden wollen, fällt es nicht nur dem bzw. Erstautor/in auf, sondern er bzw. sie kann die Weiterverwendung sogar ablehnen. Denn jede Änderung am Datensatz muss genehmigt werden.
Infos zur Verwendung der Blockchain in der Wissenschaft
Pubnet
Über Pubnet laufen zahlreiche Bestellungen wissenschaftlicher Literatur. Das Bestellsystem wurde 2017 von mvb (Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH) übernommen.
Scopus
… ist eine Datenbank wissenschaftlicher Artikel, Herausgeberschriften und Bücher, die Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben. Scopus ist die größte Datenbank dieser Art und wird auch von Bibliotheken gern in Anspruch genommen.
Deutsche Digitale Bibliothek
Die Deutsche Digitale Bibliothek vernetzt. Sie ist eine rein virtuelle Bibliothek, die als gemeinsame Plattform von ca. 30.000 deutschen wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen auftritt. Mit der Datenbank soll Wissen frei zugänglich zur Verfügung gestellt werden.
Die Deutsche Digitale Bibliothek verfügt über eine Schnittstelle zur Europeana.
Mehr Infos zur Deutschen Digitalen Bibliothek
Europeana
Was die Deutsche Digitale Bibliothek für Deutschland ist, das ist die Europeana für Europa. Die virtuelle Bibliothek sammelt Medien aus Kultur und Wissenschaft, die der Öffentlichkeit online zugänglich gemacht werden.
Die Deutsche Digitale Bibliothek verfügt über eine Schnittstelle zur Europeana.
Deutsche Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek ist ein Archiv für sämtliche deutschsprachige Medien. Die Veröffentlichungen sind einsehbar; die Deutsche Nationalbibliothek folgt damit ihrem gesetzlichen Sammelauftrag. Ihre beiden Standorte befinden sich in Leipzig und Frankfurt am Main. Mit der „Gemeinsamen Normdatei“ (GND) stellt sie außerdem Normdatensätze für Forschung und Archiv zur Verfügung.
Mehr Infos zur Deutschen Nationalbibliothek
Tipps für Studierende
- Geh in die Bibliotheken! Die Datenbanken vor Ort sind ein riesiger Wissensspeicher und halten auch Informationen für dich bereit, die du nicht via Google findest …
- Möchtest du doch einmal einen Wikipedia-Artikel als Literaturverweis aufnehmen? Dann nutze für die Zitierung den Button links: „Cite this Page“ / „Artikel zitieren“. Hier findest du alle relevanten Informationen.
- Halte die Augen offen! Wenn Texte, die von einem einzigen Autor geschrieben wurden, auffällige Stilwechsel aufweisen, solltest du noch einmal kritisch überprüfen, ob der Text originär ist. Auch du darfst (und solltest) bei Verdacht Plagiate melden – egal wie angesehen der Autor/die Autorin auch sein mag.
- Blockchain ist in aller Munde! Die Blockchain ist für vieles nützlich. Beispielsweise auch, um einen wissenschaftlichen Text schützen zu lassen und so ggf. beweisen zu können, dass man selbst ein Ergebnis zuerst veröffentlicht hat. Dazu erstellst du aus deinem Text und dem Zeitstempel einen Hash-Wert.
- Sei mutig, frage nach und bleib ehrlich!