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Transkript: Special zur DHd 2023 (Teil 2)
Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag


Deaf IconAuf dieser Seite gibt es das Transkript des ersten Teils unseres DHd2023-Specials inklusive Kapitelmarken und Sprecheridentifikation.
Weitere Infos zum Special:

Das Verarbeiten großer Datenmengen verbraucht viel Energie. Gleiches gilt für das Bereitstellen hochaufgelöster Bilder, für Flugreisen zu Konferenzen – und nicht zuletzt für die eigene technische Ausstattung. Die Arbeitsgemeinschaft #GreeningDH lud uns ein, ihrer Podiumsdiskussion auf der Digital-Humanities-Konferenz in Luxemburg zu lauschen.

Transkript zum zweiten Teil der Diskussion

Darf man in Zeiten des globalen Klimawandels überhaupt noch geisteswissenschaftlich arbeiten oder muss man nicht vielmehr die Welt retten? Geht beides vielleicht zusammen – wenigstens ein bisschen? Im zweiten Teil des DHd2023-Specials geht es um die allgemeine Reflexion der eigenen Arbeitspraxis: Die Moderatorinnen Anne Baillot, Anja Gerber und Charlotte Feidicker geben Diskussionsimpulse aus ihrem Arbeitsalltag. Sie berichten über eigene Erfahrungen, innere Konflikte – und mögliche Lösungen.

Special: DHd 2023 (Teil 2): Nachhaltigkeit im ArbeitsalltagKapitelmarken
Begrüßung
Statement von Anja Gerber (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)
Statement Charlotte Feidicker (Universität Bielefeld)
Statement Anne Baillot (Université Le Mans)
Sollte es mehr Forschung zu nachhaltigen Forschungsprozessen geben?
Nachhaltige Arbeitsabläufe – Wie geht das?
Forschungsprojekte über nachhaltiges Maximal Computing?
Nachnutzbarkeit durch Auffindbarkeit: Wissenschaftskommunikation stärken
Ökologische Themen in die Lehre integrieren!
Als Mediävistin arbeiten oder doch lieber das Klima retten?
Digitalisate und Ressourcenverbrauch
Verabschiedung


Digitale Wissenschaft
Folge: DHd2023-Special! Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag | Teil 2
Podcast vom: 15.05.2023
Moderatoren Workshop #GreeningHD (DHd2023): Anne Baillot, Charlotte Feidicker, Anja Gerber
Moderator:innen Podcast: Carolin Hahn, Jens-Martin Loebel
Bitte beachte: Das Transkript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.


[♫ Intromusik ertönt ♫]

Volker Davids: Digitale Wissenschaft. Forschung verändert sich. Wir erklären, wie.

Ein Podcast über Wissenschaft im Digitalzeitalter. Mit spannenden Interviews, Praxistipps und Forschungsprojekten von Archäologie bis Zellbiologie. Für die Forscher von heute und die KIs von morgen. Mit Jens-Martin Loebel und Carolin Hahn.

[Intromusik endet]

Begrüßung

Carolin Hahn: Ja, willkommen zum zweiten Teil unseres DHd-Specials. Wir sind wieder – oder immer noch – auf der Digital Humanities Konferenz 2023 in Luxemburg. Und wenn ihr den ersten Teil verpasst habt, dann holt das einfach jetzt nach. Ansonsten bleibt einfach dran. Ja, wir besprechen jetzt vor allen Dingen Erfahrungsberichte aus dem Arbeitsalltag der Forschenden, wie man so ein paar Dinge verbessern kann und … ja, einfach die Arbeit als Digital Humanist nachhaltiger gestalten kann.

Jens-Martin Loebel: Genau, wir steigen direkt wieder ein in die Diskussion und sind mal gespannt, welche die kleineren und größeren Herausforderungen sich eigentlich im Arbeitsalltag ergeben. Ja, wenn man nachhaltig vorgehen möchte.

Carolin Hahn: Die Diskussionsteilnehmer sind übrigens die gleichen, Rabea Kleymann musste ja weg. Aber ansonsten ist die Runde genau die gleiche.Jens-Martin Loebel: Also seid gespannt. Wir schalten jetzt direkt zur Anne Baillot, die die Diskussionsrunde einleiten wird.

Statement von Anja Gerber (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)

Anne Baillot: Okay, mein Vorschlag ist, dass wir alle drei kurz was sagen – und dann könnt ihr drauf reagieren und Fragen stellen.

Anja Gerber: Also mein Name ist Anja Gerber und ich arbeite an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und beschäftige mich dort mit Forschungsdatenmanagement – und zwar bei Corpus Vitrearum Medii Aevi. Das heißt, wir haben zum Beispiel große Bilddaten als Forschungsdaten, und dann komme ich also in meiner täglichen Arbeit auch einmal mit diesen Aspekten in Berührung, die also auch in den Bereich der AG gehen. Weil wir uns jetzt nämlich auch gerade fragen, wie man da den Aufwand für die Ressourcenverwendung reduzieren kann, weil wir wirklich auch diese TIFFs immer mit Metadaten beschrieben haben. Das heißt, man muss immer diese Bilddateien laden und ich stehe jetzt sozusagen in meiner täglichen Arbeit auch vor der Frage: Wie kann man das ressourcenschonender gestalten? Das ist ja generell die Frage auch von Datenmanagement und Forschungsdatenmanagement, wie man dann also mit den Daten umgeht: Welche Daten werden wie oft archiviert und gesichert?

Das heißt, wir haben ja bei uns zum Beispiel die Regel, dass man dreimal, also wir haben den Datenstand einmal auf dem Server und dann noch zweimal gesichert. Das heißt, wir haben den gleichen Datenstand dreimal. Wie kann man das vielleicht optimieren oder wie kann man das besser gestalten, dass man diese ganzen großen Datenmengen nicht immer hat oder auch: Wie kann man die ganzen Workflows vielleicht … nicht verbessern …, aber sozusagen … ändern, dass man dann auch so mehr im Kontext der Ressourcenschonung arbeitet. Dass man halt nicht immer alles fünfmal hin- und herschiebt oder irgendwie, dass man mehr kollaborativ arbeitet. Zum Beispiel, dass wir dann alle das gleiche Dokument in der Cloud nehmen und nicht jeder irgendwie fünf Word-Versionen auf dem Rechner hat, die dann per E-Mail an alle geschickt werden, genau.

Und die AG hat mich deswegen nämlich auch sehr interessiert, weil ich zu dem Zeitpunkt, als sie gegründet wurde, gerade digitales Datenmanagement neben der Arbeit studiert habe und dachte: Ah super, das passt sehr gut, weil da sind wir dann auch so mit Themen, wenn man Forschungssoftware entwickelt … also wie rechenintensiv ist das? Wie viel Power braucht mein Algorithmus? Dann haben wir da so ein Beispiel, das auch im Studium schon durchgerechnet gehabt. Und das sind jetzt auch so die Sachen, mit denen ich mich in meiner täglichen Arbeit konfrontiert sehe. Wir entwickeln nämlich auch noch Forschungssoftware selber gerade, ein Kollege von TELOTA und ich.

Insofern bin ich genau auch mit der Frage konfrontiert: Wie gehen wir also mit diesen großen Bilddaten um. Wenn sie dann über einen Webserver zugänglich sind, braucht man ja immer Strom, man braucht immer Internet, man muss also immer irgendwie Ressourcen verbrauchen, um an die Daten zu kommen. Wie biete ich sie an … und da haben wir auch so bestimmte Lösungen, dass wir die Metadaten textbasiert anbieten und nicht mehr über die großen Bilddateien zum Beispiel, weil man dann einfach nur eine kleine Textdatei lädt, also eine JSON-Datei, und nicht irgendwie ein 150 Megabyte großes TIFF oder so.

Das sind halt so die Sachen, die mich dann da beschäftigt haben und ich würde mir über die AG oder die DHd wünschen, dass wir gemeinsam dann auch so einen Austausch haben, wie man so bestimmte Prozesse optimieren oder vereinheitlichen kann. Dass man im Erfahrungsaustausch auch steht … und auch über Lessons Learned redet, sich vernetzt und eben auch diese Fragen: Welche Software gibt’s schon, welche Tools Ressourcen kann ich nachnutzen, wie können wir unsere eigene Software so anbieten, dass andere sie noch mit verwenden können? Dass also irgendwie der Aspekt der Nachnutzbarkeit und der Nachhaltigkeit auch gestärkt wird.

Und wie man dann eben das Projektmanagement so gestalten kann: Wie oft trifft man sich, macht man Sprints, macht man’s jede Woche – wenn ja: Macht man eine halbe Stunde, macht man’s in Präsenz, macht man’s eben virtuell? Also mit diesem ganzen Themenkomplex beschäftige ich mich auch in meiner täglichen Arbeit.

Statement Charlotte Feidicker (Universität Bielefeld)

Charlotte Feidicker: Ja, ich bin Charlotte Feidicker. Ich promoviere in Bielefeld in der mittelalterlichen Geschichte und Digital History und ich nehme schon die Klimakrise sehr stark … so als Krise irgendwie war … und habe für mich gemerkt, also auch jetzt so in der Reflexion und in der Vorbereitung auf den Workshop und auch davor … aber eigentlich, dass ich das manchmal total schwierig finde, so das Mittelalter zu erforschen, wenn ich sehe irgendwie … Eigentlich erscheinen mir so ökologische Themen gerade viel dringlicher irgendwie. Und das, ja, ist ein Problem, das ich nicht letztendlich irgendwie gelöst bekomme im Moment, aber wo ich das Gefühl habe, mir hilft das irgendwie auch so die digitalen Ansätze so ein bisschen als Chance zu sehen, das Thema einfach stärker einzubringen und … ja … vielleicht auch so über Methoden, Herangehensweisen stärker zu reflektieren, was die Forschung so für einen ökologischen Fußabdruck hat.

Und habe aber manchmal das Gefühl, dass so in der Institution oder so im Prozess des Promovierens … ich eigentlich das immer so bisschen vom Ende denke und so denke: Ah, ich produziere irgendwie Daten und ich möchte die gerne fair publizieren und am liebsten auch so immer wieder, also dass ich eigentlich immer, wenn ich was ändere, das einfach schon publiziert ist, und alle das nachnutzen können. Also, dass es eine hohe … eigentlich mit diesem Fair-Data-Prinzipien eine hohe Nachnutzbarkeit gibt. Und hab das Gefühl, dass es aber gerade im Prozess der Promotion wenig Anerkennung dafür gibt. Also es ist immer noch ein bisschen in den Köpfen verhaftet ist:

Es sollte am besten, also ich irgendwie drei Jahre in meinem Kämmerlein forschen und dann irgendwas publizieren. Und das finde ich manchmal irgendwie schwierig. Also in der Institution bei mir oder im Fachbereich wird es schon angestoßen, auch Daten zu publizieren, aber … ja, das würde ich gerne mal radikaler denken, als es so in diesem Forschungsprozess in der Promotion irgendwie möglich ist und ja, ich hab das so als Dauerthema für mich, dass ich denke: Was mach ich da eigentlich mit meiner Lebenszeit, obwohl ich eigentlich auch … ja, das Klima retten, das kann man nicht, aber hinterfrag das eben sehr viel, was ich da eigentlich mache und finde es auch total schwierig zu beantworten, weil es mir dann so ein bisschen sinnfrei vorkommt.

Statement Anne Baillot (Université Le Mans)

Anne Baillot: Also bei mir ist es so, ich arbeite seit 20 Jahren eigentlich an unedierten Handschriften und als ich angefangen habe, war das so, dass es noch die Zentralkartei der Autographen in der Staatsbibliothek gab und dann habe ich zum Beispiel für meine Promotion habe ich zu einem Philosophen geforscht. Ich war in Frankreich und dann habe ich einen Brief geschickt: Was haben Sie da? Und dann habe ich eine Schwarz-weiß-Kopie bekommen. Da hatte jemand alle einzelnen Karteikarten fotokopiert, die mit diesem Philosophen zu tun haben, und mir zugeschickt. Und da drauf stand, wo die Handschriften zu finden waren, in welchem Archiv in Deutschland und so weiter. Und dann bin ich einfach rumgereist, von einem Archiv zum nächsten, und habe diese Dinge transkribiert und teilweise kopiert und so weiter.

Und es hat sich so viel verändert in meiner wissenschaftlichen Praxis von dem Moment an, wo diese Handschriften digitalisiert werden konnten und ich war am Anfang, ehrlich gesagt, wirklich super begeistert und sehr lange Zeit, weil ich gemerkt habe: So werden die Ergebnisse meiner Forschungen viel mehr Menschen zugänglich gemacht als es jeder Fall hätte sein können, wenn ich meine Dinge transkribiert hätte und in Buchform publiziert hätte. Und die Idee, dass eine digitale Edition einfach so viel Wissen so vielen Menschen bringen kann, das hat mich sehr lange Jahre beflügelt. Ich habe mir gedacht, es ist eigentlich sehr schön, weil Wissenschaft nicht mehr etwas ist, was unter Wissenschaftler:innen betrieben wird, sondern es ist wirklich Teil der Welt. Und ich habe dementsprechend, wie gesagt, eine digitale Edition mit Hochauflösungs-Scans aufgebaut … und irgendwann habe ich gemerkt: Das ist alles eigentlich kontraproduktiv, weil es sind überhaupt nicht alle Menschen auf Erden, die Zugriff haben auf meine digitale Edition, weil man schon mal eine sehr gute Internetverbindung braucht, um überhaupt dran zu kommen, dann braucht man den richtigen Browser, um sich die Sachen anzeigen zu lassen und dann … und so weiter und so fort.

Das heißt: Wo ich mir vorgestellt habe, dass ich für die ganze Welt die zur Verfügung stelle, war ich immer noch in einem sehr privilegierten Rahmen oder … mein Denkraum war sehr eng im Endeffekt und was ich dann realisiert habe, weil ich das so aufgestellt habe, wird extrem viel Energie verbraucht, um diese Hochauflösungs-Scans anzuzeigen, zum Beispiel. Das heißt, die Leute, die schon mal nicht die Internetverbindung haben, um sich die Sachen anzeigen zu lassen, die sind diejenigen, die praktisch die direkten Klimafolgen davon haben werden, dass die anderen schnelle Internetverbindungen haben, um sich meine Sachen anzuzeigen. Und das ist für mich ein Moment gewesen, als das mir klar geworden ist in der Form, wo ich wirklich extrem gezweifelt habe, an DH im Allgemeinen und überhaupt der Arten und Weise, wie Wissenschaft funktioniert. Und ich bin wirklich von einer gewissen Euphorie für Open Science zu einer kompletten .. also nicht Depression, aber einfach … Ich wusste nicht, wo es lang geht, wenn es dann doch so ist, dass es gar nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und zu diesem Zeitpunkt war für mich auch die Schwierigkeit, dass es so schwer zu messen ist. Welchen Schaden ich denn anrichte mit meinen Hochauflösungs-Scans und so weiter. Und was bedeutet das konkret für die Menschen im Allgemeinen?

Genau, das ist der Zeitpunkt, wo es praktisch mit der weltweiten Vernetzung zu diesem Thema in der DH-Community angefangen hat. Das war ein Day of DH, weiß nicht mehr … 2019 oder 2020, vielleicht 2020. Da haben ein paar Leute wie ich unter diesem Hashtag getwittert. Und da haben wir uns zusammengetan und haben im folgenden Sommer einen gemeinsamen Text verfasst. Das ist das Manifesto Digital Humanities and the Climate Crisis. Und das waren Kolleg:innen aus den USA und aus Großbritannien. Und daraufhin hat sich die Gruppe gebildet, die das Toolkit arbeitet hat, praktisch ausgehend von der Manifesto-Gruppe. Und das, was mir ein bisschen Kraft und Hoffnung gibt im Moment, ist eher diese Vernetzung, dass so viele Leute von so unterschiedlichen Ecken versuchen, daran etwas zu ändern.

In Frankreich bin ich in zwei Forschungsnetzwerken, das eine heißt ecoinfo und da geht es um den Fußabdruck des Digitalen im Allgemeinen. Es sind extrem viele Informatiker:innen mit dabei und das Schöne ist, dass es wirklich … also das sind Leute, die Weiterbildungs-Sessions aufgebaut haben, also auch für die Geisteswissenschaftler:innen in der Gruppe. Und da habe ich auch gelernt, damit umzugehen, dass ich diese technische Kompetenz, genau zu bemessen, was da und da und da zu bemessen ist, um genau eine Stellungnahme zu entwickeln und so weiter … dass es nicht unbedingt notwendig ist, das alles zu beherrschen, um ein Bewusstsein zu haben und auch in den Geisteswissenschaften Dinge zu verändern oder versuchen zu verändern. Ich bin auch in einem Netzwerk, das heißt labos1point5, das versucht, den Fußabdruck der Forschungsaktivitäten und der Lehraktivitäten in den Hochschulen zu messen und darauf basierend Empfehlungen zu entwickeln. Das ist, wie gesagt, in Frankreich sehr zentralisiert.

Und die AG GreeningDH im deutschsprachigen Raum ist für mich das Konkreteste von allem, weil ich da das Gefühl habe, ich bewege mich in meiner wissenschaftlichen Gemeinschaft und da können wir wirklich gemeinsam etwas bewegen und in den anderen zwei Netzwerken bin ich praktisch die einzige Germanistin, wie das halt so ist. Aber hier habe ich den Eindruck, dass … was Rabea auch gesagt hat: die Möglichkeit, in der Community und für die Community zu handeln und … Anja und Charlotte haben auch gesagt, teilweise gibt es ein gewisses Gefühl der Absurdität: Warum mache ich überhaupt das, was ich mache? Und ich glaube, die Arbeit in der AG und überhaupt dieses Gefühl, okay, es gibt eine Community, die damit etwas anfangen kann, ist für mich auf jeden Fall etwas, was wirklich etwas Positives reinbringt in dieses ganz extrem Selbstkritische eigentlich. Und diese Entwicklung, die, glaube ich, man unbedingt durchmacht, wenn man anfängt, so grundlegend zu hinterfragen, was man macht, wie es jetzt bei diesen Fragestellungen der Fall ist. Also insofern denke ich auch, dass die Ideen, die Rabea gegeben hat, um mehr in Richtung Community-Building zu gehen, dass das genau die Richtung ist, die wir gehen sollten – wäre zumindest mein persönlicher Eindruck.

Ihr könnt entweder Fragen stellen oder selbst was erzählen zu eurem Standpunkt – oder einfach die Diskussion fortsetzen, die wir seit heute Morgen haben, das ist alles sehr offen, wie ihr das jetzt gestalten möchtet.

Sollte es mehr Forschung zu nachhaltigen Forschungsprozessen geben?

Charlotte Feidicker: Ich habe vielleicht direkt etwas zu dir, Anne. Weil ich habe, als du das erzählt hast, mit der Begeisterung für digitale Editionen … da habe ich gedacht, ich glaube, ein bisschen bin ich da gerade auch noch, weil ich denke … ah, so eine richtig gut auch mit Semantic-Web-Technologien vernetzte digitale Edition wäre das größte Maß an fairer Datenaufbereitung, die möglich ist. Und das so ein bisschen mir, glaube ich, so einen Sinn oder eine Perspektive in der Arbeit gibt manchmal… dass ich denke, das würde ich eigentlich gerne machen, weil dann kann ich was zur Verfügung stellen, was andere weiterbenutzen können. Aber ich denke auch manchmal, auch gerade als wir … Anja, du hattest das ja auch schonmal in einem Projekttreffen irgendwie eingebracht … dieses Problem mit den hochauflösenden Bildern, und dann habe ich auch gedacht: Ah, eigentlich steht immer in den Maßgaben zu besonders guten digitalen Editionen: Es muss ja hochauflösende Bilder haben und so.

Ja, aber da habe ich das Gefühl: Was fehlt, ist vielleicht so eine Anleitung: Wie kann ich eine möglichst ressourcenschonende digitale Edition machen? Vielleicht fehlt da auch so eine Forschung dazu. Und ich habe mich da auch nochmal eben bei Rabeas Perspektiven … oder vielleicht ist das auch was, das wir nochmal diskutieren können, ob das auch eine Perspektive ist, Forschung in diesem Bereich zu betreiben. Also zu sagen: Wir brauchen eigentlich Menschen, die sich wissenschaftlich beschäftigen oder irgendwie erforschen, wie man das sinnvoller ökologisch umsetzen kann. Oder ob das eigentlich ein Thema ist, das wissenschaftlich gar nicht bearbeitet werden muss, sondern … also ich sag jetzt mal so klassisch … mit unseren Menschen, die dann Bachelor-, Master- oder Doktorarbeiten über solche Themen schreiben … oder ob das mehr so etwas ist, das daneben passiert oder passieren sollte.

Anne Baillot: Also in Frankreich gibt es immer mehr Promotionen zu dem Thema, weil es Gelder dafür gibt, weil die Ministerien sich damit ein gutes Gewissen erkaufen, indem sie die Forschung zu dem Thema fördern, genau. Aber das ist auch nicht unbedingt … für mich ist es schon an der Grenze zum Green Washing.

Nachhaltige Arbeitsabläufe – Wie geht das?

Anja Gerber: Also ich finde es auch schwierig, so ökologische Aspekte in den Arbeitsalltag einzubringen. Wir haben ja wir seit Jahren auch so bestimmte Workflows, da wir viel mit den großen Bildern arbeiten, wir sie einmal bei uns vorhalten, dort werden sie mit Metadaten versehen, diese dann in die großen Bildern schreiben, dann für die Online-Publikation einen bestimmten Teil der Bilder in Kopie dann auf den Server einer anderen Akademie laden, dort werden Sie online natürlich erstmal als JPG angeboten, das ist ja schon gut, und man lädt sich dort dann explizit dann das TIFF als Original runter, aber ich habe im Prinzip ja trotzdem zweimal das gleiche Bild. Ich habe es einmal bei mir im Datenbestand und ich habe es einmal dort auf dem anderen Server, statt zu sagen, man zieht sich das irgendwie über bestimmte semantische Technologien und sagt so: Hier ist das Bild, wir verlinken und das Original liegt nur einmal bei uns und wird dann dort angezeigt oder so.

Also es ist schwierig, diese Arbeitsabläufe dann auch mal zu diskutieren, weil dadurch, dass wir interakademisch sind und zwei Akademien beteiligt sind, das heißt es: Die sind dafür zuständig, die sind dafür zuständig … und dass man das nicht irgendwie miteinander vernetzen kann oder so. Also ich habe jetzt in den letzten Jahren auch einige Fragen und dadurch, dass auch mein Kollege, mit dem ich diesen Metadateneditor entwickle, sich auch solche Fragen stellt: Warum haben wir das gleiche Bild eigentlich zweimal? Warum haben wir das nicht bei uns und da wird es nur verlinkt? Dann lade ich es runter, auf den anderen Server wieder hoch. Oder wie gebe ich Bilder an Dritte weiter? Wir haben ja auch viele, die dann Bilder zum Beispiel haben wollen für Publikationen. Das heißt, ich lade sie runter, schicke sie mit WeTransfer oder packe sie in unsere ownCloud-Lösung und biete sie dann zum Download an, statt zu sagen: Okay, wir haben eine Erfassungsumgebung, die wird in Zukunft nicht auf einem Webserver liegen. Und wie kann ich dann sagen: Okay, dieses Bild kriegt dann nen Link und ich verschicke nur diesen Link und der andere holt sich’s dann über den Link. Momentan schicken wir also wirklich große Bilder mehrfach durch die Gegend. Und dann stelle ich mir auch die Frage nach Kosten und Ressourcen.

Nils Reichert: Ja, ich antworte mal. Da ich bei euch allen dreien ziemlich viele Punkte nachvollziehen kann. Einerseits diese Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, was ich hier mache, und müsste ich nicht irgendwas anderes machen, beispielsweise auf die Straße gehen oder was auch immer. Andererseits habe ich sozusagen diese institutionelle Perspektive eben auch, also ich arbeite im Hessischen Landesarchiv, das heißt, wir haben auch extrem viele Digitalisate, also mehrere Hundert Terabyte, die sozusagen da durch die Gegend gefahren werden, gebackupt werden und so weiter und so fort. Wir sind seit Jahren dabei, dafür überhaupt eine zentrale Speicherlösung aufzubauen, anstatt das halt irgendwo verrotten zu lassen und das ist ja auch der Punkt, dass man sagt: Wir haben jetzt schon ganz viel investiert da rein, wir wollen das jetzt nicht irgendwie verfallen lassen, sondern es soll irgendwie sinnvoll … erarbeitet werden und in Fluss gebracht werden. Und auch der Punkt … ich find’s spannend, dass es zurzeit interinstitutionell, also innerhalb einer Institution, schon quasi nicht funktioniert, dass man dann interinstitutionell dann die Sachen miteinander verlinkt, weil das auch immer so der Eindruck ist. Weil wir haben ganze Digitalisierungsprojekte im großen Umfang mit verschiedenen Unis zusammen gemacht, klar, da wollte es jede Bibliothek, jede Uni nochmal einzeln für sich bekommen und wir eine Kopie und alle haben es bei sich selbst. Und es gibt keine Möglichkeit, dann zu sagen: Wir machen irgendeine ordentliche ID daran und jeder zieht sich’s von einer Stelle weg. Die Technik ist im Grund da, aber es macht niemand so richtig – und ist bereit, zu sagen: Ja, wir übernehmen diesen Part. Also es gibt Projekte, da werden dann so Sachen hinterlegt, dass man sagt: Ok, ihr seid dafür da, dass ihr die Sachen behaltet – aber auch nur, wenn wir im Kontext von NFDI gesagt haben, wir machen so etwas, wir machen ein Laboratory für die Digitalisate, über das dann alle anderen zugreifen können – REST-IDs und so. Aber das ist eben noch im Aufbau.

Andererseits kann ich, das Dritte ist, Anne, kann ich total auch diesen Aspekt, diese Euphorie nachempfinden. Und ich habe früher nicht nur bezogen auf diesen Aspekt … so, sondern insgesamt auf die gesamte Geschichte. Vernetzung, Internet, Open Everything und an alles andocken da. Und … ich meine, das ist ja auch heute Vormittag und gestern auch im Workshop Data Feminism – und auch da ist es so, dass ich denke, ok, es gab diesen großen Impuls zu sagen: Open Everything und so weiter und so fort, aber irgendwann ist auch da ein bisschen die Ernüchterung da und die Fragen nach Struktur und die Fragen nach Medien, die sich dann immer wieder durchsetzen. Und wo man auch fragt: Wovon bin ich jetzt eigentlich Teil? Und … ja, sind dass dann Aggregatoren wie Staatsarchive, das sind dann natürlich so Sachen, wo man sagt: Ok, die Daten sind natürlich irgendwie biased, aber sie sind aus bestimmten Machtbildern heraus entstanden und sie bilden auch nur bestimmte Bevölkerungsgruppen ab oder bestimmte Handlungen ab, aber nicht irgendwie alle und gerade für Leute die dann irgendwo anders unter der Klimakrise leiden, für die ist das natürlich gar nicht gut.

Klar, wir sagen jetzt: Wir wollen alles digital nutzbar machen und digital erreichbar sein, und es sollen auch die ganzen Leute, vor allem aus den USA, die das dann gerne sehen wollen, die irgendwie Vorfahren haben, die dann ankommen … aber ja, das sind natürlich auch die, die wahrscheinlich gut situiert dasitzen und sich globale Ungleichheit so wieder reproduziert. Ja, ich hoffe auch, dass die Sitzung dann so einen Lichtschimmer oder wenigstens eine Perspektive dann wieder bringt. Ja, wie gesagt, in der Europeana gibt’s dann auch wieder so ähnliche Bestrebungen und … ja, es ist wirklich sinnvoll, da vorzugehen. Deswegen habe ich andere eben auch wieder eingebracht bei uns im Team meinte auch jemand, der bei uns im Rechenzentrum dafür zuständig ist, diese ganzen Sachen zu machen. Der hat eben auch Sachen hochgebracht, wie zum Beispiel, dass man Windkraftwerke baut und die Windkraftwerke in die Rechenzentren rein, weil einfach dann die Server sich da durch die Höhe selber kühlen können und der Strom dort sofort … dadurch dass die quasi eh vernetzt werden müssen.

Und jetzt die Frage nach den Bilddateien, die würde mich brennend interessieren. Ich wüsste nicht genau, wer daran forscht. Also es gibt ja den IIIF-Standard …

Carolin Hahn: Ich wollte gerade sagen, das ist ja eigentlich eine Lösung.

Anne Baillot: Das ist dazu da.

Nils Reichert: Ja, genau … und da werden nur die kleinsten Bilder geladen erstmal und dann kann ich trotzdem einfach unbegrenzt reinzoomen … dass das auch ein Aspekt ist und wir auch diese Themen einfach auf dem Schirm haben und vielleicht auch ein bisschen mehr in die Richtung denken. Ja, gut, wenn ihr das bestätigt, dass das die richtige Perspektive ist …

Anja Gerber: Da sind wir auch dabei, genau … wir sind da auch gerade dabei, IIIF sowohl bei uns als auch für die Online-Webseite zu implementieren, weil … das ist halt auch ein Prozess, der irgendwie auch so seine Zeit dauert und … ja … genau. Also mal schauen, wann wir das dann online haben und wie wir das machen.

Forschungsprojekte über nachhaltiges Maximal Computing?

Julian Häußler: Also ich find’s schon interessant, über Forschungsprojekte zu sprechen. Also, ich hatte genau den gleichen Gedanken vorhin auch. Ich denke, dass es auf jeden Fall Forschungsprojekte braucht und das nicht nur nebenbei funktionieren kann. Und mich würde da schon nochmal jemand von den Expert:innen oder von der Runde interessieren, wie der Weg dahin ausgehen kann. Also, das kann ja auch nicht sein, dass wir warten, bis das BMBF mal eine Förderrichtlinie dazu macht oder dass sich irgendwelche Doktorand:innen dazu finden, die dann Einzelprojekte starten. Und meine Frage ist es auch so ein bisschen, ob es sich lohnt, da vielleicht einfach mal Projekte zu skizzieren und die so herauszugeben, weil eigentlich ist mir aufgefallen, dass das komisch ist, dass wir das heute morgen auch gar nicht angesprochen haben, wobei wir doch über so etwas wie Nachnutzbarkeit geredet haben und das ja super erforscht werden kann.

Anne Baillot: An was für ein Projekt würdest du jetzt zum Beispiel denken?

Julian Häußler: Ich würde eher zurückgehen zu Maximal Computing, also nachhaltiges Maximal Computing. Und das kann ja auch von verschiedenen Seiten angegangen werden, also es wäre auch super … ich denke, es wäre interessant, wenn das einfach verschiedene Personen aus den verschiedenen Fächern machen und sich da auch kurzschließen.

Anne Baillot: Genau, weil Charlotte hat von Doktorand- oder Doktorandinnen-Stellen gesprochen. Und ich glaube, eine Schwierigkeit bei diesen Dingen ist, dass du sehr interdisziplinäre Kompetenz brauchst. Also deswegen … die Veranstaltung, die du vorhin skizziert hast, das leuchtet mir total ein, das habe ich auch aufgeschrieben und das machen wir. Aber im Prinzip bei Projekten ist es halt die Schwierigkeit: Wo, in welchem Fach, willst du das dann im Endeffekt verankern? Weil irgendwo … den Antrag musst du irgendwo stellen. Und das ist ein Problem, was wir in den DH sowieso haben, weil es kein DH-Fachkollegium gibt bei der DFG zum Beispiel, weil das immer in den einzelnen Fächern verankert ist. Das heißt, man müsste im Prinzip die Kultur der einzelnen Fächer darauf hin voranbringen oder schärfen, dass die sich bewusst werden: Es lohnt sich auch zu diesen Themen innerhalb des Faches sowieso was zu tun. Und das hat in der Regel eigentlich mehr mit einer epistemologischen Dimension als mit dem eigentlichen Inhalt zu tun. Aber ich glaube, so etwas würde man gefördert bekommen. Nur die Frage ist halt, wie … also wie ist die die fachliche Zusammensetzung, das ist nicht so einfach.

Charlotte Feidicker: Ja, und vielleicht auch ein bisschen: Was kann man dann machen? Also zwischen … wenn ich jetzt einfach alles zusammensammle wie über das Toolkit sozusagen … das ist ja dann keine wissenschaftliche Untersuchung. Das ist eine Sammlung an Informationen, was man nicht als Doktorarbeit einreichen könnte oder so. Oder einfach als Bachelor-, Hausarbeit keine Ahnung, so etwas … Und das andere ist dann, etwas Neues zu entwickeln. Das braucht dann sehr spezifische Kenntnisse, also informationstechnologische Kenntnisse und aber auch halt interdisziplinäre Vernetzung, was eigentlich fast für so eine Promotionsstelle oder eine Doktorarbeit zu groß wird. Ja, es fehlt vielleicht so eine Art Lehrstuhl für nachhaltige Digital Humanities Entwicklung. Da kann der DHd-Verband vielleicht so etwas einführen.

Nachnutzbarkeit durch Auffindbarkeit: Wissenschaftskommunikation stärken

Carolin Hahn: Das sind halt zwei Dinge: Das eine ist die Kommunikation. Also, dass ich mitbekomme, was andere entwickeln und was ich nachnutzen kann. Und das andere ist halt Anschlussfähigkeit der Entwicklung selbst. Also wie schaffe ich es, dass andere das auch nachnutzen können? Also habe ich die Schnittstellen dazu? Und das sind ja zwei ganz verschiedene Dinge. Ich weiß auch gar nicht … ein Lehrstuhl ist vielleicht auch ein bisschen zu hoch aufgesetzt. Ich glaube, das muss einfach in die Breite getragen werden. Und da ist es halt eher der Kommunikationsaspekt. Und so etwas wie jetzt … Schnittstellen schaffen, worüber wir ja vorhin auch geredet haben, dass man irgendwie die Metadaten ausweitet, jetzt beispielsweise im Text-Mining und da halt Stifttypen und so etwas mit reinnimmt, um die Large Language Models zu trainieren … dass das halt eher etwas ist, was man seitens der DFG vielleicht nochmal kommunizieren sollte, dass das einfach Voraussetzung für eine erfolgreichen Projektantrag ist. Und wie gesagt, das andere ist eigentlich im weitesten Sinne Wissenschaftskommunikation.

Charlotte Feidicker: Das wäre das Framing, oder?

Carolin Hahn: Im weitesten Sinne, und das sollte eigentlich selbstverständlicher Bestandteil mindestens jedes Projekts sein. Sollte, ist es natürlich nicht, aber dass man da halt auch Schnittstellen schafft und auch zwischen Bibliothek und Universität, die ja ähnliche Fragestellungen haben.

Ökologische Themen in die Lehre integrieren!

Anne Baillot: Was wir noch gar nicht besprochen haben, ist, was wir in der Lehre daraus machen. Also ich weiß, ob viele von euch unterrichten, wahrscheinlich bin ich die Einzige hier? Ja? Und wie schwierig das ist, in der Lehre … erstens inhaltlich: Wie kann ich diese Inhalte noch einbauen in meine Lehre? Das ist erstmal gar nicht so einfach. Und dann im Prinzip in Dialog zu treten mit den Studierenden und wirklich zu wissen, wo die stehen eigentlich zu diesem Thema. Weil es gar nicht so einfach ist. Also ich mache das extrem offensiv, dass ich extra Sitzungen habe, auch wenn ich zu einem ganz anderen Thema unterrichte, dann mache ich immer pro Gruppe einmal eine Seminarsitzung zum Thema Klimakrise. Egal, was das Thema des Seminars oder der Vorlesung ist. Aber das ist jetzt neu. Das mache ich erst jetzt seit diesem Jahr.

Und in Frankreich ist es so, dass alle Ingenieurschulen inzwischen die Pflicht haben, ein Modul zu haben, zu dem ökonomischen Fußabdruck. Das heißt, die neue Generation an Ingenieuren wird super gut ausgebildet sein in diesem ganzen Lifecycle-as-Business und so weiter. Die werden diese Dinge von vornherein berücksichtigen, weil das bei denen im Curriculum als Pflichtprogramm steht. Und ich frage mich halt, wie wir das schaffen, dass wir das auch so … nicht unbedingt viele Stunden, aber dass das doch ins Programm reinkommt, und zwar gekoppelt an die verschiedenen Fächer. Aber das ist auch ein langer Weg, ganz ehrlich. Und dadurch erschwert, dass wir immer wieder dieses Anfangsproblem haben: Die Bezifferung ist immer anders, weil die Messmethoden immer andere sind und Leute immer mit anderen Zahlen herkommen und sagen: “Nein, das ist gar nicht so viel und so viel” und so weiter. Und das hilft wirklich nicht, insbesondere in diesem Bereich dann Materialien zu entwickeln. Ich weiß nicht, du hast darüber schön Lehrveranstaltungen …

Sprecher: Ich könnte mir vorstellen, dass so eine grundlegende Digital Literacy bestimmt nicht schlecht ist, um einzuschätzen, welchen Schaden man anrichtet – nicht nur in der Forschung, sondern auch außerhalb des universitären Lebens, also die Vermittlung von Kenntnissen über die Seminare – in Kombination mit ökologischen Themen kann nur gut sein, denke ich. Dann hat das Ganze so ein bisschen was von einem ökologischen Handabdruck, nicht nur Fußabdruck.

Anne Baillot: Ihr habt in Bielefeld doch das Digital-Literacy-Programm. Ist da was drin?

Charlotte Feidicker: Ich habe auch gerade überlegt, also in dem Programm … glaube ich … bin ich jetzt nicht sicher, aber mein Eindruck ist, nicht. Aber ich muss es mir mal angucken. Aber was wir haben, ist so eine Vorlesungsreihe, wo auch ökologische Themen thematisiert werden. Die auch so aus dem Zusammenschluss aus Mittelbau … ich weiß gerade nicht, wer auch so an Professor:innen dabei ist … aber ich glaube, von Professor:innen und Studierenden zusammen so ein bisschen entwickelt wurde, auch die Themen. Und die Studierenden können sich das … ja, also es gibt Module in den meisten deutschen Studiengängen, die so ein bisschen Wahl-Pflicht-Programm sind. Also man muss irgendwas machen, aber kann selber aussuchen, was. Und dann können sie sich das anrechnen lassen. Dass es sozusagen zur Wahl steht. Das ist vielleicht ein erster Schritt, aber davon besuchen es natürlich nicht alle. Ja. Und ich denke, das könnte auch Thema sein in Digital-History-Studiengängen oder in Digital-Humanities-Studiengängen und … ich muss mir mal näher angucken, was die eigentlich so machen.

Anne Baillot: Genau. Was ich dann oft einsetze, wenn ich dann merke, dass das Vorlesungsformat nicht wirklich passt, ist dieses Climate Fresk. Das ist ein Kartenspiel. Ich glaube, einmal ein Karten- und Rollenspiel, könnte man sagen. Und das braucht drei Stunden, um einmal durchgemacht zu werden. Das sind unterschiedliche Karten mit Fakten aus dem IPCC-Report und die werden kommentiert, auch mit konkreten Beispielen. Und das Ziel ist, dass die Teilnehmenden diese Karten ordnen und Verbindungslinien ziehen zwischen den unterschiedlichen Fakten, keine Ahnung … Überschwemmungen und Hitze, Dürre, Biodiversitätsverlust mit ganz konkreten Beispielen und so weiter. Und am Ende selbst ihre Schlussfolgerungen ziehen aus dem Ganzen. Da wird einfach dieses Gesamtbild rekonstruiert mit den Verbindungslinien zwischen den unterschiedlichen Fakten, um selbst festzustellen, auf dieser Grundlage, wie systemisch das Problem ist, dass man nicht einfach einzeln die Dürren und Biodiversitätsverlust betrachten soll, sondern das das zusammenhängt.

Und es gibt, also wenn man es einmal selbst unter der Anleitung einer trainierten Person gemacht hat, dann kann man selbst dann weitere Personen weiterbilden, die das dann weiter nutzen. Und es gibt davon, glaube ich, eine deutschsprachige Variante, eine englischsprachige auf jeden Fall. Es kommt von Frankreich, aber es ist inzwischen sehr weit verbreitet und wird oft eingesetzt, auch an Schulen. Also ich weiß, dass Lehrer:innen an Schulen, wenn die auch ein bisschen dieses Anleiten machen wollen, verwenden Fresk sehr gerne. Aber solche, solche konkreten Materialien bräuchten wir, wir bräuchten mehr davon im Prinzip, um je nach pädagogischer Situation relativ flexibel zu sein, je nach Publikum, wer da sitzt und was die Erwartungshaltung ist. Und es gibt auch MOOCs inzwischen, die sich auch mit unterschiedlichen Aspekten befassen: Es gibt einen MOOC über Ecological Impact of ICT, dazu gibt es einen MOOC. Der ist auf Englisch und wir entwickeln weitere MOOCs zu unterschiedlichen Aspekten. Aber das ersetzt alles nicht, was im Prinzip im Seminarraum passiert. Also die Leute, die diese MOOCs machen werden, sind die Leute, die sowieso sensibilisiert sind und sich dafür interessieren. Und den ersten Schritt können nur wir Dozent:innen im Seminarraum machen, dass die Leute überhaupt die Lust entwickeln, sich für diese Themen mehr zu interessieren.

Carolin Hahn: Kannst du vielleicht noch einmal kurz sagen, was MOOCs sind, also für die Hörer?

Anne Baillot: Ach ja, ja. MOOC – Massive Open Online Courses, genau. Das sind Lehrmodule, die man komplett online belegt, und wofür man auch Punkte erwerben kann und so ein Zeugnis: ‘Ich habe dieses MOOC erfolgreich durchgemacht mit so und so vielen Punkten’. Also das kommt zum Beispiel in Frankreich oft vor in der Pflichtausbildung von Doktorand:innen, dass die bestimmte MOOCs durchmachen müssen oder absolvieren müssen. Und die sind so gedacht, dass man nicht unbedingt ein Fachspezialist sein muss, um es zu machen, sondern einfach nur an der Frage interessiert. Und es gibt halt diesen MOOC zu dem Impact des Digitalen, wozu der Link bestimmt dann im Kommentarfeld zu finden sein wird.

Als Mediävistin arbeiten oder doch lieber das Klima retten?

Carolin Hahn: Ich glaube, wir sind jetzt noch gar nicht auf deine Frage eingegangen, ob du quasi als Mediävistin überhaupt Mediävistin sein darfst bei der aktuellen Klimakrise.

Charlotte Feidicker: Ja, also die Mediävisten sagen natürlich immer ja. Und natürlich ist es wichtig, das muss erforscht werden … Und .. ‘darf’: Das ist klar. Ich merke einfach, dass es für mich ein Zwiespalt bleibt einfach. Also das, obwohl dann Kolleg:innen sagen: Natürlich muss es weiter erforscht werden und so …

Carolin Hahn: Weil gerade historische Wetterdaten und so und Überschwemmungen. Das kriegt man ja eigentlich …

Charlotte Feidicker: Okay, vielleicht muss ich nur das Thema einfach ändern. Also das ist ganz spannend: Ich habe im Studium mal eine Vorlesung, also das ist eine Sitzung, an die ich mich sehr gut erinnere, da ging es so drum: in Chroniken, wie Hersteller dargestellt wurden und dann in welchem Zusammenhang das zu Wetterphänomenen stand. Also wenn es lange Dürren gab, dass das dann auch ausgelegt wurde als schlechte Herrschaft, weil der Herrscher bei Gott in Ungnade fallen ist und deshalb schlechtes Wetter längerfristig da ist. Und das, fand ich, ist ein spannendes Projekt. Aber ich habe das Gefühl, dass … also wenn ich mich jetzt mit mittelalterlichem Wetter beschäftige, trotzdem: Die Probleme sind nicht die, die wir heute haben eigentlich. Oder es würde nicht dazu beitragen, unsere aktuelle Klimakrise … darauf eben Einfluss zu nehmen, wenn ich mittelalterliches Wetter erforsche, denke ich. Oder welcher Einfluss könnte das sein?

Carolin Hahn: Na ja, das Faktenwissen wird einfach gesteigert. Also wie sich historisches Wetter entwickelt hat und wie unterschiedlich das zum aktuellen Wetter / Klima ist. Also das sind ja auch einfach dann fundamentale historische Fakten, die halt die Virulenz der aktuellen Entwicklung … ja … herausstellen. Ohne die könnte ja jeder Querdenker sagen: “Ja, das war schon immer so.”

Charlotte Feidicker: Ja, okay. Also eine sehr meteorologische Fragestellung tatsächlich.

Carolin Hahn: Ja, genau.

Charlotte Feidicker: Ich weiß gar nicht, wie die Überlieferung von Wetterdaten ist …

Carolin Hahn: Da gibt’s ein Projekt: Ein Freund von mir …

Charlotte Feidicker: Ah, dann schaue ich mir das mal an.

Carolin Hahn: Tambora heißt das, glaube ich. Vielleicht … wenn dich das interessiert. Aber ich weiß jetzt nicht, inwiefern das jetzt wirklich so weit zurückgeht.

Nils Reichert: Ich glaube, auch Erdbeben und so weiter werden behandelt. Wetter und Erdbeben.

Charlotte Feidicker: Spannend.

Carolin Hahn: Ja, und das ist ein Ziel deiner Wissenschaft …

Charlotte Feidicker: Ja, und das ist auch was, wo ich die AG einfach als etwas sehr Positives wahrnehme, um dieses Thema zu adressieren oder auch irgendwie ein Austauschraum zu haben und das Wissen zusammenzubringen. Aber ich habe es immer eher so gesehen, diese digitalen Methoden als Möglichkeit, dieses Umwelt-Thema zu adressieren, am Beispiel von jetzt … dem mittelalterlichen Aspekt vielleicht. Aber ich denke mal nach über die Wetterdaten.

Nils Reichert: Ja, als du nach dem Material gefragt hast, habe ich gedacht: Ok, als erstes macht’s vielleicht schon einmal Sinn, darauf hinzuweisen, dass es auch diese Gruppierungen und überhaupt diese Initiativen gibt, um auf diese Themen aufzusteigen oder sie unterzubringen in einer Lehrveranstaltung.

Digitalisate und Ressourcenverbrauch

Anja Gerber: Mich bringt das ja auch in eine Zwickmühle, weil wir ja mittelalterliche Glasmalereien erforschen, die Wettereinflüssen ausgesetzt sind und bei manchen Kirchen nur noch das Digitalisat dieser Glasmalerei da ist. Und das ist ja dann auch so eine Sache: Wir haben ja dann oft diese Scheibe so nicht mehr, sondern nur noch das Digitalisat oder das Foto der Glasmalerei. Das ist dann auch paradox: Einerseits wird’s durchs Wetter zerstört, andererseits generiere ich durch meine Daten ja wieder neue Probleme.

Carolin Hahn: Aber das Problem liegt dann natürlich woanders, ne? Nämlich in der Erzeugung und im Ausstoß von fossilen Brennstoffen. Also nicht in den Digitalisaten, was ja prinzipiell …

Anja Gerber: Genau, sondern eher in den Ressourcen und der Infrastruktur …

Carolin Hahn: Also ich glaube, die Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, das ist halt so wichtig. Dass ich halt nicht aus Spaß … wir hatten ja auch vorhin die Diskussion über KI-Modelle. Dass ich halt nicht aus Spaß 50.000 Digitalisate durchklicke, sondern dass man da einfach drangeht und die Aufmerksamkeit hat, dass das Ressourcen verbraucht. Aber prinzipiell ist das ja schon eine hohe Leistung, dass es überhaupt sichtbar ist – gerade das, was zerstört ist.

Anja Gerber: Ja, deswegen sind die auch so hochaufgelöst, damit man das genau nachvollziehen kann, wie so der Einfluss und Veränderungen der Glasmalerei waren oder auch auch die Restaurierungsschritte waren. Als Dokumentation des historischen Kulturerbes. Deswegen haben wir eben auch diese hochaufgelösten Aufnahmen. Da ist es eben wichtig, dass wir dann wissen, wie wir sie umweltfreundlicher hosten und speichern.

Nils Reichert: Ich möchte auch noch einen Aspekt unterstreichen, den du angebracht hast, Anne: Da den Gerechtigkeitssinn drin zu haben und zu sagen: Es geht eben nicht nur darum, dass Professor:innen das irgendwie sehen können, sondern dass es offen ist für alle und irgendwie auch was sein kann, das für alle Menschen irgendwie relevant oder sichtbar sein soll. Und man nicht sagen kann: Ja gut, schau’s dir nicht zum Spaß oder zur Unterhaltung an, ist schon schwierig. Oder schau’s dir nicht an, weil du dir deine privaten Sachen irgendwie … sondern wenn, dann hatten wir diese Sache, die man eigentlich bei uns im Archiv froh ist, abgeschafft zu haben – dass es eine wissenschaftliche Nutzung gibt, die kostenfrei ist oder mit vielen Freiheiten versehen ist und eine, die privat ist und entsprechend nicht so gern gesehen wird und mit mehr Vorgaben bedacht ist. Und das war man eigentlich froh, los zu sein – und jetzt will man sozusagen ja nicht wieder eine neue Form von Schiene einführen, die irgendwie sagt: ‘Ja, aber nur zum Spaß ist doof’. Spaß ist ja irgendwie auch wichtig.

Anne Baillot: Ja, ich glaube, das könnte ein schönes Schlusswort sein. Vielen Dank an alle Mitdiskutant:innen.

Carolin Hahn: Ja, danke euch. Es war sehr nett.

Verabschiedung

Carolin Hahn: Ja, das war’s auch schon von der DHd 2023. Ich pack jetzt ein, mach mich zurück nach Berlin. Bedanke mich vor allen Dingen für die Einladung. Das war wirklich ein sehr spannendes Gespräch und übergebe wieder an Jens. Tschüss.

Jens-Martin Loebel: Danke, Caro. So, wir hoffen, es hat euch gefallen. Wir fanden es mal interessant, direkt live in die Praxisarbeit zu gehen und zu schauen, welche Forschungs- und Arbeitsansätze eigentlich direkt in der Community diskutiert werden und wie dieser Prozess so abläuft. Wir hoffen, es war interessant für euch, da mal direkt reinschnuppern zu können. Das nächste Mal erwartet euch dann wieder eine reguläre Folge mit einem spannenden Interview. Wer das ist, das verraten wir jetzt noch nicht. Wenn ihr Ideen oder Vorschläge habt, wen wir mal interviewen können und/oder sollten, dann schreibt uns gerne. Wir freuen uns immer auf euer Feedback. Ich verabschiede mich hier aus der Sendezentrale. Freu mich schon auf das nächste Mal und wünsch dir, Caro, eine gute Fahrt. Tschüss.

Carolin Hahn: Danke, Jens. Bis später!

Zug-Ansage: Lëtzebuerg. Endstation. Luxembourg. Terminus du train.

[♫ Intromusik ertönt ♫]

Volker Davids: Das war Digitale Wissenschaft. Weitere Informationen und Links sowie Diskussionsmöglichkeiten zum Podcast findet ihr auf unserer Webseite digitale-wissenschaft.de. Dort gibt es auch unserem Wissensblog in dem wir über Tools, Software und hilfreiche Methoden der digitalen Forschung informieren. Wenn euch die Sendung gefallen hat, könnt ihr uns gerne auf der Crowdfunding-Plattform patreon.com/digiwissen unterstützen. Unser Titellied lautet Epic Song und ist von BoxCat Games. Wir bedanken uns bei allen Zuhörern und freuen uns schon auf das nächste Mal.

[Intromusik endet]
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